Odernheimer Geschichte

Geschichten und Geschichte

Die Schreibweise entspricht der des Originalartikels


Vor hundert Jahren

 

Ein politischer Mordanschlag zu Odernheim am Glan

 

Vor hundert Jahren ging der Sturmwind der Revolution über das linksrheinische Land. Hier soll nicht näher auf das allgemein bekannte große politische Geschehen jener Zeit eingegangen, sondern eine dramatisch getönte Episode herausgegriffen und der Vergessenheit entrissen werden. 

In der bayrischen Pfalz, in der seit Tagen des „Hambacher Festes“ die großdeutsch geprägten Ideen, die ein Wirth und ein Siebenpfeifer ausgestreut, einen fruchtbaren Boden gefunden hatten, gingen die Wogen der revolutionären Aufwallung besonders hoch. Zunächst äußerte sich der von Idealisten und Wirrköpfen gleichermaßen genährte Überschwang in einem recht kerwemäßigem Treiben. Man wurde im pfälzischen Land nicht müde, sich auf seine Weise der „Märzerrungenschaften“ zu erfreuen. Die lebensfrohe Bevölkerung fand schnell Geschmack an der Soldatenspielerei der Bürgerwehren, die an allen Orten entstanden, und die Weihe ihrer Banner mit rauschenden Festen begingen. Als es dann ernst wurde und preußische Divisionen an der Grenze aufmarschierten und das Land besetzten, trat eine allgemeine Ernüchterung ein, die den besonnen Gebliebenen schnell die Oberhand verschaffte.

Der Pfarrer wurde als Reaktionär verschrien

Zu den Besonnenen, die vor unüberlegter Gewalttat gewarnt und das Treiben radikaler Elemente abgelehnt hatten, gehörte auch der seit dem Jahre 1846 zu Odernheim am Glan amtierende geistvolle Schriftsteller und Pfarrer Dr. phil. Philipp Schwartz.

Ueber die Persönlichkeit dieses Mannes, dessen Bedeutung zu würdigen und dessen Biographie zu schreiben eine verdienstvolle Angelegenheit wäre, soll einiges eingeflochten werden. 

Johann Philipp Schwartz, der am 8. Mai 1810 zu Emskirchen an der Aurach geboren wurde, studierte in Erlangen und Berlin und kam 1846 von Speyer nach Odernheim, das er zehn Jahre später mit Bergzabern vertauschte, wo ihn 1869 als erster Pfarrer und Dekan das Zeitliche segnete. 

Dr. Schwartz beteiligte sich unter dem Pseudonym „Ph. S. von der Aurach“ publizistisch am politischen Kampf jener Zeit. Er war eine sehr ausgeprägte Persönlichkeit und als solche sehr umstritten, insbesondere zu Odernheim. Man verübelte ihm, dem evangelischen Pfarrer, die eheliche Verbindung mit einer katholischen Frau und spann allerlei Legenden und Märchen, oft böswilliger Art, um seine Herkunft und seine Lebensführung. So ging z.B. das Gerücht um, er sei ein natürlicher Sohn Ludwig I von Bayern; seine Mutter sei eine Kammerzofe am bayrischen Königshof gewesen. Als Pfarrer Schwartz dann in der Revolutionszeit an die ihn geknüpften Erwartungen der Radikalen enttäuschte, erweckte er damit eine Feindschaft und einen Haß, die ihm beinahe das Leben gekostet hätten. 

Die Flucht aus Sobernheim

Zu Odernheim hatte die revolutionäre Bewegung unter dem Einfluß des Mühlenbesitzers Hach und seiner Gesinnungsgenossen Hepp und Jung einen guten Boden gefunden. Man befaßte sich nach der Schilderung der Zeitgenossen Ferdinand Knobloch nur noch mit Politik und betreib dieses Geschäft auf den Straßen, in den Schmieden und Wirtschaften mit einer Leidenschaft, die sich in bedenklichem Erscheinungen äußerte und zu höchst beklagenswerten Verirrungen führte. Hach und sein Anhang arbeiteten auf die Beseitigung des unbequemen Mahners und Warners Schwartz hin. Der Pfarrer sollte von rheinhessischen Freischärlern abgeführt werden; er entzog sich der Festnahme durch eine romantische Flucht. Sein Nachbar Herzog, der das Pfarrgut bebaute, fuhr den Pfarrer unter Heu und Stroh verborgen auf einem Leiterwagen an den nichts ahnenden Häschern vorbei nach dem nahen preußischen Sobernheim, wo Schwartz sich so lange aufhielt, bis in der Pfalz und Odernheim wieder geordnete Verhältnisse eingetreten waren. Während seiner Abwesenheit kamen wiederholt Freischärler ins Pfarrhaus und suchten nach ihm. Wenn sie vorn hineindrängten, wurde des Pfarrers kleiner Sohn Ludwig, der vom Aufenthalt des Vaters wußte und leicht schädlichen Gebrauch von seinem Wissen hätte machen können, hinten über den Hof in den Stall gebracht, dort in eine Pferdegrippe gelegt und mit Heu zugedeckt. 

Der geplante Mord

Die kleine Gruppe von politischen und persönlichen Gegnern des Pfarrers hatte bei Wirt Bayer im „Weißen Roß“ am Obertor ihren Stammtisch und spann dort bei verhängten Fenstern üble Pläne. Die Verschwörer im „Weißen Roß“ beschlossen in einer unseligen Stunde die gewaltsame Beseitigung des verhaßten Pfarrers. Für die geplante Mordtat wurde in der Person des Barbiers Josef Fröhlich eine willfährige Kreatur gedungen. Dieser Barbier „Katzen- Fröhlich“ genannt, ein haltloser, in mißlichen Verhältnissen lebender Mensch mit einer abenteuerlichen Vergangenheit, kam Tag für Tag zur Bedienung des Geistlichen ins Pfarrhaus. Darauf bauten die Verschwörer ihren schändlichen Plan. Josef Fröhlich war moralisch tief gesunken und wirtschaftlich ein bettelarmer Tropf, der nach der Pfeife seiner Gläubiger tanzen musste. So hatte er sich zu der Untat dingen lassen, wobei der Alkohol viel mitgewirkt haben mag. Er war aber nicht so verworfen, wie seine Auftraggeber angenommen hatten. Als er am Morgen nach der grausigen Inpflichtnahme wieder nüchtern geworden war und die Stunde der furchtbaren Tat herannahen sah – es muß gesagt werden, daß er sich verpflichtet hatte, dem Pfarrer beim Rasieren die Kehle zu durchschneiden -, beendete er den Gewissenskonflikt in den man ihn gestürzt, in seiner Art.

Selbstmord des gedungenen Mörders

Fröhlich begab sich in aller Morgenfrühe zum Pfarrhaus und zog die Klingel. Pfarrer Schwartz selbst trat in die Tür und fragte den Verstörten nach seinem Begehr. Fröhlich preßte die Hand des Geistlichen, berichtete in abgerissenen Sätzen den schändlichen Anschlag, ohne allerdings Namen zu nennen, erbat sich die Verzeihung des Pfarrers, riß sich los und stürmte davon. Kurze Zeit darauf fiel im nahen Ortsteil „Hinterhausen“ ein Pistolenschuß – der „Katzen- Fröhlich“ hatte sich im Garten des heute von Johannes Ransweiler bewohnten Hauses erschossen. 

Die Namen der Männer, die damals in der Hemmungslosigkeit ihrer Haßgefühle schwere Schuld auf sich luden und mit ihren Ränken einen armen Verzweifelten in den Tod trieben, sollen hier nicht genannt werden. Sie mögen, als das von ihnen geschmiedete Komplott einen so tragischen Ausgang genommen, schwer genug an der Last getragen haben, die sie ihrem Gewissen aufgebürdet hatten. 

Karl Schworm


In der Pfarrchronik von Pfarrer Hofer findet sich zu diesem Ereignis folgender Eintrag:

1856: Am 19. August hat sich Joseph Froehlich, Baader, 46 Jahre alt, mittags 12 Uhr neben seinem Hause erschossen. Nach Ansicht mancher noch heute lebender Personen geschah dieser Selbstmord, weil Froehlich auf Andrängen der Feinde des Pfr. Dr. Schwartz sich durch einen Eidschwur verpflichtet habe, dem Pfr. Schwartz beim Rasieren die Kehle zu durchschneiden, die Angst des Gewissens vor dem Mord, aber auch die Furcht vor denen, die ihn zum Mord gedungen hatten, trieben ihn in den Tod. Am 20. August wurde er von Pfr. Schwartz beerdigt.  

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Original Eintrag Pfarrchronik von Pfr. Hofer




Quelle: Privatarchiv Hans Lahm. Zeitungsartikel vom Juni 1949 ohne nähere Bezeichnung