Odernheimer Geschichte

Geschichten und Geschichte

Die Schreibweise entspricht dem Originaltext und erschien im :

 

Die Bürgergarde eines pfälzischen Landstädtchens

Von Karl Schworm

Im Jahre 1772 beschlossen die ehrsamen und wohlbedachten Sieben, die im Stadtgericht des ehedem pfalz- zweibrückischen, später kurpfälzischen Landstädtchens Glan- Odernheim, über Wohl und Wehe ihrer Gemeinde wachten, die Errichtung einer Stadtmiliz. Im Archiv des Städtchens liegt noch ein diesbezüglicher Entwurf von der Hand des damaligen Stadtgerichtsschreibers Stockinger, der interessant genug ist, seine Wiedergabe zu rechtfertigen. 

Projekt zur Aufstellung einer Stadt - Miliz

1.    Werden alle tauglichen jungen Männer und erwachsene Bürgers Söhne dazu gezogen, und sind so lang zu dienen schuldig, bis selbige durch Recrouten ergänzt werden. 

2.    Die Recroutierung wird so gerichtet, daß die jüngeren die älteren ablösen.

3.    Muß jeder sich mit tüchtigen Gewehr versehen

4.    Unter das Commando und seines Commandanten Befehl bey Geldstraf sich fügen. 

5.    Damit es städtisch und fein zugehe, somit der Vaterstadt Ansehen und Ehr befördert werde, sollen selbige zu schicklich, ihnen bekannt gemacht werdenden Zeiten das Gewehr zu hantieren mit dem Exerciren erlernen.

6.    Sich allezeit zu ihren Verrichtungen, wie es seinen Bürgern ansteht, willig finden lassen, wo sie aus Liebe zur Ordnung auch den Bedacht nehmen werden, daß jeder die ohnehin mehrentheils beliebte Farb in der Kleidung zu Hervorbringen der Egalität sich anschaffen werde. 

7.    Zu ihrer Ergötzung und auch Ersatz der Versäumnis wird ihnen erlaubt, eine Conduit- Strafkasse zu errichten, worinn aber die Straf nicht höher denn von 2 bis 10 Kreuzer sich erstrecken darf. 

8.    Wird wegen ihren Verrichtungen allemal vor jeden in Bürgerfrohnden die versäumte Zeit gleich gut gethan; damit aber ordentlich zugehe, hat 

9.    Jeder Commandant seines Corps allemal eine Spezifikation der dabei gewesenen Glieder durch den Stadtdiener dem Stadtgericht einzugeben.

10. Ist die Einrichtung hauptsächlich wegen Schonung alter Bürger bey Streifungen, Arrestierungen etc. geschehen.

11.Versieht man sich zu selbigen allen, daß jeder eine seiner und nicht gegen die Polizeigesetze laufende Conduite sich angewöhne. Die dagegen Handelnden fallen ihrer Strafcaß heim. 

12.Stellt wohl die Zinsschreiberen Pulver und Bley; jedoch soll ohne Not und ausdrücklichen Befehl solches nicht verschossen werden.

Der Sammelplatz ist jedesmahlen am Rathaus.

Publicirt und von der Bürgerschaft als eine gute Anstalt genehmigt.

Odernheim, d. 6. Februar 1772

Stadtgericht allda



Kopie des Originaldokuments, indem Gerichtsschreiber Stockinger die Bürgermiliz konzipierte. Dokumente zum vergrößern anklicken.


Es sind noch genaue Angaben über Gliederung und Zusammensetzung der Stadtmiliz vorhanden. Sie wurde befehligt von einem Capitän, dessen Stelle der jeweilige Schultheiß einzunehmen hatte. Ihm zur Seite standen ein Lieutenant (der jeweilige Gerichtsbürgermeister) und ein Fähndrich (Stadtgerichtsschreiber Stockinger).

Die Miliz war in drei Kompanien eingeteilt, die von Unteroffizieren geführt wurden. Die erste Kompanie – „die Companie junger Burschen“ – an ihrer Spitze stand Unteroffizier Leopold Man, dem die Korporale Michel Haas und Philipp Leonhard Gref beigegeben waren. 

Die zweite Kompanie – „junge Bürger“ – wies die gleiche Stärke auf. Sie wurde befehligt von Unteroffizier Nickel Haas dem Dreher, gewöhnlich „Dreherhaas“ genannt, dem der Korporal Peter Scheib assistierte. 

Die dritte Kompanie, die ebenfalls aus jungen Bürgern bestand, hatte eine Stärke von 27 Mann. Ihr Befehlshaber war Jakob Herzog, ein ehemaliger zweibrückischer Feldwebel. Ihm zur Seite stand Philipp Peter Braun als Korporal. Endlich gab es noch zwei Tamboure namens Philipp Weber und Heinrich Kornmann, die bei den Uebungen der Miliz das Kalbfell zu rühren hatten.

Die Bürgergarde wurde in der kurzen Zeit ihres Bestehens öfters zu Fahndungen auf räuberisches Gesindel, das in jener Zeit die Umgegend des Städtchens unsicher machte, angesetzt.  Ob sie sich dabei sonderlich bewährt hat, ist aus den Akten nicht ersichtlich. Sie wird wohl – ein Kind ihrer zopfigen Zeit, die Spitzweg uns mit solch unübertroffener Meisterschaft vor Augen führte – nicht besser und nicht schlechter gewesen sein wie andere ihrer Art und im gemütlichen Schlendrian jener vorrevolutionären Dezennien ein beschauliches Dasein geführt haben, bis ihr der Sturm der fränkischen Erhebung ein vorzeitiges und unrühmliches Ende bereitete. 



Quelle:

Privatarchiv Hans Lahm

Nordpfälzer Geschichtsblätter, Nr. 10, 1926, Rockenhausen