Odernheimer Geschichte

Geschichten und Geschichte

Die Sage von der Gründung des 

Klosters Disibodenberg

 

„Zu dem frommen Bischof Disibodus in Irland kam in der Nacht im Traum ein Engel und sprach: “Gehe über das Meer in das jenseitige Land das Evangelium zu verkünden. Und da wo du deinen Wanderstab in die Erde steckest und er grünet, wo ein weißes Reh dich dir nahet und am Boden scharret, daß ein Brunnen lebendiges Wasser hervorspringt, da bleibe und baue dir ein Kloster.“ Schon am nächsten Morgen bestieg er mit seinen drei Gefährten ein Schifflein, und schnell wie ein Pfeil waren sie am anderen Ufer.

Lange Jahre zogen sie, die Heiden bekehrend, durch Frankreich und kamen eines Abends zu einer Anhöhe auf dem rechten Ufer der Nahe. Als der Durst sie plagte, gingen die Gefährten Disibods hinab zu dem Flusse, um dort ihre Kürbisflaschen zu füllen. Bei ihrer Rückkehr bot sich ihnen ein wunderbares Schauspiel dar: der ehrwürdige Greis kniete inmitten des Rasenplatzes. Sein hoher Pilgerstab stak in der Erde und trieb Äste und Blätter, ein schneeweißes Reh scharrte am Boden, daß ein Quell daraus hervorsprang, so rein wie Kristall. Disibodus erkannte diese Stätte als die Verheißung des Engels und rief:“ Der Ort ist heilig. Lasset uns Hütten bauen.“ Bald erhob sich eine schmucke Kapelle und ein Kloster. Disibodus aber wohnte in einer einfachen Hütte, und sein Stab ward zum schattigen Baume[1]“. 

 

[1]M. Ohlmann: Am heimischen Sagenborn, Alte und neue Sagen aus der Nahelandschaft, Bad Kreuznach 1986. S:53f. Die Sage über die Gründung stammt aus dem Pfälzischen Sagenbuch von  F.W. Hebel Nr. 161



Zeittafel Kloster Disibodenberg

 

Auf dem dort liegenden Berg befand sich vielleicht schon in keltischer Zeit ein Heiligtum, das auch unter der römischen Herrschaft fortbestand (u.a. Grabungsfund eines römischen Altars aus dem 2./3. Jahrhundert, das einen Speerwerfer zeigt. Im 4. Jahrhundert stand auf dem Bergeine römische Ansiedlung). Am Fuße des Berges in der Nähe der gefundenen Quelle bauten Disibod und seine Gefährten eine Hütte, anschließend begannen sie mit der Verkündung des Evangeliums unter der heidnischen Bevölkerung. Dankbare Anhänger der neuen Lehre errichteten am nordöstlichen Fuße des Berges eine Taufkapelle. Als weiser, geachteter Gottesmann starb Disibod im Jahre 700 mit 81 Jahren. Sein wundertätiges Grab wurde eine Pilgerstätte.

  

Um 600: In der um 1170 von der hl. Hildegard verfassten Lebensbeschreibung Disibods, ließ sich der aus Irland vertriebene Bischof Disibod mit den drei Gefährten Giswald, Klemens und Sallust am Osthang, des später nach ihm benannten Berges nieder und errichtete dort bei einer Quelle eine Einsiedelei sowie ein Oratorium[1]. 

843: Erstmalige historisch gesicherte Erwähnung Disibods im Martyrologium des Mainzer Erzbischofs Hrabanus Maurus.

nach 975: Wie zwei 1108 bzw. 1128 von Mainzer Erzbischöfen ausgestellte Urkunden berichten, habe Erzbischof Willigis von Mainz (975-1011) auf dem Disibodenberg eine zerstörte und verlassene Mönchsansiedlung vorgefunden, die er durch Errichtung eines Kanoniker[2]Stiftes mit 12 Geistlichen zu neuem Leben erweckte. 

1051-1084: Die Mainzer Erzbischöfe Liutbald und Siegfried statten das Stift weiter mit Gütern aus.

1108,11. Mai: Gemäß der feierlichen abgefassten „Gründungsurkunde“ wandelt Erzbischof Ruthard von Mainz das Kanoniker Stift in ein Benediktiner- (Doppel) Kloster um, besiedelt es mit Mönchen aus St. Jakob vor Mainz, erteilt dem neuen Kloster die Pfarrrechte und vermacht ihm zusätzlich Grundbesitz und weitere Einnahmen. 30. Juni: Grundsteinlegung zum Bau einer gänzlich neuen Klosteranlage auf dem Disibodenberg.

1112: 1. November: Die später als selige verehrte Grafentochter Jutta von Sponheim, die später als Heilige verehrte Hildegard (von Bingen) und eine weitere Schwester legen ihre Profess ab und werden endgültig als inclusae[3]in die Frauenklause des Klosters aufgenommen. 

1128: Bestätigung aller Privilegien und Besitzungen des Klosters durch eine feierliche Urkunde des Erzbischofs Adalbert von Mainz.

1130: Weihe des ersten Altars zu Ehren des hl. Stefan in südlichen Seitenschiff der neuen Kirche. 

1136: 1. April: Erhebung der Gebeine des hl. Disibod aus der Vorgängerkirche.

1142: 28. Mai: Weihe der Kapellen im Hospiz und Krankenhaus.

1143: 29. September: Schlussweihe der Klosterkirche durch den Mainzer Erzbischof Heinrich und Überführung der Reliquien des hl. Disibod in ein neues, hinter dem Hauptaltar gelegenes Hochgrab.

1146: 1. November: Weihe der neben der Kirche errichteten Marienkapelle.

Nach 1147: Hildegard verlässt mit 18 bzw. 20 Schwestern die dem Kloster Disibodenberg angeschlossene Frauenklause und bezieht mit ihnen das von ihr neu gegründete Benediktinerinnen Kloster auf dem Rupertsberg bei Bingen. 

1148: 12. März: Bestätigung des Besitzes und der Privilegien des Klosters Disibodenberg durch eine Urkunde Papst Eugens III.

um 1170: Auf Bitten des Disibodenberger Abtes Helenger verfasst Hildegard die Vita des h. Disibod (Vita Sancti Disibodi).

1. Hälfte 13 Jhd.: Burgähnlicher Ausbau der Klosteranlage durch die Mainzer Erzbischöfe. Im Konflikt mit dem umsitzenden Adel wird der Disibodenberg erstmals belagert und gestürmt.

1259: Im März: Erzbischof Gerhard von Mainz hebt das zerrüttete Benediktinerkloster auf und übergibt es unter Minderung seiner Rechte und seines Besitzes dem Zisterzienser Kloster Otterberg in der Pfalz, das es mit 12 Mönchen neu besiedelt. 

2. Hälfte 13. Jhd. /1. Hälfte des 14. Jhd.: Die Zisterzienser bauen die Klosterkirche und große Teile der übrigen Klostergebäude mit großem Aufwand nach ihren Bedürfnissen um und errichten mit Hospiz und dem sogenannten Abteigebäude beeindruckende große Neubauten. 

Anf. 14 Jhd.: Wirtschaftlicher Aufschwung, Gründung zweier Klosterhöfe in Sobernheim und Kreuznach. 

14. Jhd.: Über 60 Grabplatten meist adeliger Personen zeugen von einer geistlichen Anziehungskraft des Zisterzienser Klosters als Begräbnisstätte. 

Anf. 15 Jhd.: Nach einer Verzeichnung des Klosterbesitzes in einem umfangreichen Urbar[4]werden alle das Kloster betreffende Urkunden in einem Urkundenbuch zusammengestellt.

um 1420:Im Folge beginnender religiöser und wirtschaftlicher Krisen wird Abt Conrad seines Amtes enthoben. 

nach 1471: Weitere Schwierigkeiten entstehen durch die gleichzeitigen Ansprüche des Kurfürsten Friedrich von der Pfalz und des Herzogs Ludwig von Pfalz- Zweibrücken auf die Vogtei und Teile des Besitzes des Klosters Disibodenberg. 

1484: Der Abt von Otterberg visitiert und reformiert das Kloster, der Disibodenberger Abt Peter und sein Nachfolger Abt Nikolaus werden abgesetzt. 

1504: Ende Juli Verheerende Plünderung des Klosters durch kurpfälzische Truppen im Bayrischen Erbfolgekrieg.

Nach 1509: Andauernde Streitigkeiten zwischen Kurpfalz und Pfalz- Zweibrücken führen zur Spaltung des Konvents, Abt Adam verlässt das Kloster und zieht sich auf den Klosterhof in Sobernheim zurück.

1528: Nach dem Tod von Abt Adam, Wahl des neuen Abtes Anton Ratz durch den noch 13 Mitglieder zählenden Konvent.

Nach 1528: Kurfürst, Herzog und Mainzer Domkapitel beschweren das Kloster mit großen Lasten.

1558: April: Der lutherisch gewordene Herzog Wolfgang von Pfalz- Zweibrücken teilt dem Disibodenberger Abt die geplante Auflösung des Konvents mit.

1559: 29. Dezember: Der letzte Abt Peter Limbach verzichtet zusammen mit dem einzig verbliebenen Konventualen in einem umfangreichen Vertrag auf das Kloster. Herzog Wolfgang setzt den Schaffner Hans Scherer zum Verwalter des nun weltlichen Klostergutes ein. In der Folgezeit wird das Hofgut an Bauern der Umgebung verpachtet. 

1615: 24. Oktober: Georg Helwich, Vikar und Archivar am Domstift zu Mainz verfasst während seines Besuches eine kurze Beschreibung des Klosters und überliefert elf mit Inschriften und Wappen versehene Adelsgrabplatten.

1622: Im Verlauf des 30 jährigen Krieges ergreifen die Spanier unter Spinola von dem Kloster Besitz und übergeben es der Bursfelder Kongregation des Benediktinerordens.

1640: Der Zisterzienser Caspar Jongelinus sichert sich von den Spaniern die Rechte an der Abtei, die auch in den folgenden Jahren von anderen Zisterziensermönchen aufrecht erhalten werden kann.

1647/48: Der Abt Gerhard Karel des benachbarten Benediktiner Klosters Sponheim erhält die Anwartschaft auf Disibodenberg. In der Folgezeit gehen die Besitzansprüche in verschiedene Hände über. 

1704: 14. Juni: Der Klosterhof wird in Zeit, dann in Erbpacht an die Familie Großarth vergeben, deren Nachkommen die südliche Hofhälfte bis heute besitzen und bewirtschaften. Die nördliche Hofhälfte sieht dagegen häufig wechselnde Pächter bzw. Besitzer. 

Nach 1724: Die Bewohner der Umgebung nutzen die zum großen Teil noch unversehrt stehenden Klostergebäude gegen die Anweisung der pfalz- zweibrückischen Herrschaft als Steinbruch zum Bau von Kirchen, Häusern und Brücken. 

1747-1748: Der Benediktinerorden bemüht sich (erfolglos) um den Wiedererwerb des Klosters und bietet als Kaufpreis 4300 Gulden und 80 Reichstaler.

1768: Im Hagenbacher Austauschvertrag werden das Kloster und seine Einkünfte der kurpfälzischen Hofkammer in Heidelberg zugesprochen. 

1797:  Im Gefolge der Französischen Revolution kommt das linksrheinische Gebiet zu Frankreich. Das Kloster Disibodenberg wird zum Nationaleigentum erklärt, kann aber von den damaligen Besitzern Großarth und den Erben Gutenberger gemeinsam ersteigert werden. 

1842: 18. Januar: Der Rentner Peter Wannemann, Besitzer der nördlichen Hofhälfte, übernimmt die gesamte Klosterruine, führt erste Instandsetzungen durch und lässt den gesamten Klosterbereich durch den Heidelberger Garteninspektor Ludwig Johann Metzger im Sinne romantischer Ruinen und Gartenarchitektur entscheidend umgestalten. Der Disibodenberg wird zu einem der beliebtesten Ausflugziele im Nahetal. 

1934: Über die seit 1860 das Gut bewirtschaftende Tochter Peter Wannemanns, Karoline, kommen Klosterruine und Hofgut nach ihrem Tod an den entfernt verwandten Mannheimer Kaufmann und Gutsbesitzer Wilhelm Scipio. 

1947: Der Ehe zwischen Gretel Großhardt und Julius Grauer entstammt der 1949 geborene Fritz Grauer, der heute mit seiner Familie die südliche Hälfte des Disibodenberger Hofes bewirtschaftet.

1954: Nach dem Tod von Wilhelm Scipio übernimmt seine Verwandte, Gräfin Ehrengard von Hohental die nördliche Hofhälfte mit der Klosterruine.

1985-1989: Das Landesamt für Denkmalpflege Rheinland- Pfalz beginnt unter der Leitung von Dr. Günther Stanzl mit Sicherungsmaßnahmen im Klosterbereich, die zu einer langjährigen erfolgreichen Forschungs-, Grabungs- und Restaurierungstätigkeit führen.

1989: Das Ehepaar Racknitz führt die weitgehend sanierte Klosterruine in eine Stiftung  öffentlichen Rechts, die Disibodenberger SCIVIAS- Stiftung, über.

 

Fußnoten:

[1]Oratorium kirchenlat. oratorium „Bethaus“, von lat. orare „beten“

[2]Kanoniker, auch Stiftsherren oder Chorherren genannt, sind Kleriker aller Weihestufen, die als Mitglieder eines Domkapitels oder eines Stiftskapitels an einer Kathedrale, Basilika oder Ordenskirche (Regularkanoniker) an der gemeinsamen Liturgie mitwirken. Unter gemeinsamer Liturgie versteht man die Feier der heiligen Messe und des Stundengebets, zu der alle Priester verpflichtet sind, ob allein oder in Gemeinschaft.

[3]Lat.: Eingeschlossene

[4]mittelalterliches Güter- und Abgabenverzeichnis großer Grundherrschaften, Grundbuch

 

Quelle: 

 

Eberhard J. Nikitsch: Kloster Disibodenberg, Regensburg 1998